Barcode-Technik findet Pferdefleisch in Lasagne

Rind oder Pferd, Seezunge oder Pangasius – nur selten wissen Verbraucher, ob sie wirklich das gewünschte Lebensmittel vor sich haben. Feststellen lässt sich das oft nur durch Genanalysen. DNA-Barcoding könnte Lebensmittelkontrolleuren in Zukunft die Arbeit erleichtern.

DNA-Barcoding heißt eine neue Technik zur Artbestimmung im Lebensmittelsektor. Sie funktioniert im Prinzip wie eine Supermarktkasse: Ein Code wird eingelesen und mit einer Datenbank verglichen. Der schwarz-weiße Strichcode auf der Ware im Supermarkt entspricht beim DNA-Barcoding einer langen Reihe aus den vier Buchstaben C, G, A und T – sie stehen für die vier Basen, aus denen die DNA besteht. Untersucht wird allerdings nicht das gesamte Erbgut, sondern nur ein bestimmter, kurzer Abschnitt des Erbguts, anhand dessen sich eine Tierart zweifelsfrei identi­zieren lässt. Bei Tieren stammt dieser Abschnitt von einem Gen der Mitochondrien-DNA, bei Pflanzen von der Chloroplasten-DNA.

Die Analyse selbst läuft automatisiert ab am Ende wird der Buchstabencode mit der Onlinedatenbank des globalen Projekts "Barcode of Life" abgeglichen. Sie enthält derzeit fast 3 Mio. DNA-Barcodes, von denen mehr als 190 000 von Experten einer Art zugewiesen wurden. Dazu müssen Taxonomen, also Artbestimmungsexperten, diese Art zunächst nach der klassischen Methode bestimmen. Doch Taxonomen, die das können, werden rar – das war 2003 ein wesentlicher Grund für die Initiative des kanadischen Biologen Paul Hebert von der University of Guelph, mithilfe einer DNA-Datenbank die Artbestimmung gleichzeitig sicherer und einfacher zu machen. Ein weiterer Vorteil: Anders als bei der klassischen Methode reicht fürs DNA-Barcoding ein einzelnes Haar oder ein Insektenbein. Es bietet also ganz neue Möglichkeiten in Ökologie, Landwirtschaft – oder in der Lebensmittelüberwachung.

Als 2013 wegen des Skandals rund um Pferdefleisch in Lasagne & Co. am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erste verdächtige Lasagneproben auf den Labortischen lagen, konnte das Fleisch immerhin auf 24 Tierarten gleichzeitig analysiert werden – z. B. Rind, Schwein, Huhn, Gans, aber auch Pferd und Esel. Im Rahmen eines Forschungsprojektes, fi­nanziert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, hatte das Amt einen entsprechenden DNA-Chip entwickelt. "Aber mit der neuen Methode hätten wir die Möglichkeit, mit einem unverbauten Blick zu schauen, was noch enthalten sein könnte, was vielleicht niemand erwartet", meint Ulrich Busch, zuständig für die molekulare Tierartenbestimmung am LGL. Gemeinsam mit der Zoologischen Staatssammlung München will er die Praxistauglichkeit der Methode testen. Vorteile erhofft er sich vor allem bei Fisch, da hier bisher noch jede Art einzeln bestimmt wird. Da es so viele verschiedene Speise­sche gibt, steigen auch die Betrugsmöglichkeiten. "Gerade beim Edelfi­sch wird oft nicht das geliefert, was auf dem Etikett steht", weiß Busch – etwa statt der teuren Seezunge die wesentlich billigere Tropenzunge.

Auch bei Pflanzen sieht der Lebensmittelüberwacher Bedarf. Exotische Heilkräuter beispielsweise, mit in Europa unbekannten Bezeichnungen. "Wenn mittel- bis langfristig entsprechende DNA-Sequenzen in der Datenbank hinterlegt sind, hätten wir eine wunderbare Möglichkeit, diese Pflanzen eindeutig zu bestimmen", sagt Busch. Und damit festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Heilpflanze handelt oder um wertloses Grünzeug – oder gar um gesundheitsschädliche Gewächse. Dabei ließen sich per DNA-Barcoding Pflanzenmischungen auch gleich "auf einen Rutsch" analysieren. Wenn Lebensmittelkontrolleure Maden im Käse ­finden, ist der Fall für sie klar: ungenießbar. Für Händler und Molkerei aber stellt sich die Frage: Wo ist das passiert? Einen solchen Fall konnten die Experten der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM) mithilfe des DNA-Barcoding aufklären, erzählt der Biologe Jérôme Morinière, taxonomischer Koordinator für das Deutschland-Barcoding an der ZSM. "Denn Fliegenmaden entwickeln sich je nach Art unterschiedlich schnell." Hat man also die Art bestimmt, weiß man, wann die Fliege ihre Eier in den Käse gelegt hat: beim Hersteller oder erst im Handel. Und sogar nur mit den Insekteneiern wäre eine Artbestimmung möglich. Morinière: "Die DNA ist über alle Entwicklungsstadien vom Ei über die Larve bis zum erwachsenen Tier konstant." Egal ob Fleisch, Fisch oder Pflanze: Das DNA-Barcoding könnte den Verbraucherschützern und Lebensmittelbranche in Zukunft ein sehr wirksames Fahndungswerkzeug in die Hand geben.

Foto: Süddeutsche Zeitung

Bilder in voller Größe runterladen: